Grindelwaldgletscher auf stetigem Rückzug

Drängte im Jahre 1985 der Obere Grindelwaldgletscher noch kräftig talwärts, so hat er sich ab Beginn der 1990er-Jahre unaufhaltsam und in rasantem Tempo zurückgezogen. Millionen von Kubikmetern Gletschereis sind hier weggeschmolzen. Nur gerade 18 Jahre liegen zwischen diesen beiden Aufnahmen.

Dass der Klimawandel eine Tatsache ist, kann nicht wegdiskutiert werden. Augenfällige Beweise liefern dazu unter anderem die Gletscher rund ums «Gletscherdorf» Grindelwald.

Grindelwald und mit ihm auch andere Bergferienorte, die von ihrer Nähe zur Gletscherwelt «leben», befinden sich in einem Dilemma: Einerseits bescherten ihnen der heissen und trockenen Sommer der vergangenen Jahre Rekordfrequenzen im Ferien- und insbesondere im Ausflugstourismus, und anderseits schmelzen bei meteorologischen Verhältnissen dieser Art seine exklusiven Ressourcen – die Gletscher – in geradezu beängstigendem Tempo dahin.

Sehr eindrücklich ist diese Tatsache am Beispiel des Oberen Grindelwaldgletschers ersichtlich: Konnte hier ab Mitte der 1960er-Jahre noch ein markanter Vorstosstrend beobachtet werden, so fand dieser zu Beginn der 1990er-Jahre ein abruptes Ende und ging in eine noch markantere Phase des Rückzugs über, die unvermindert anhält. Sein Zungenende ist schon seit Jahren nicht mehr ersichtlich von «aussen» (dies ist ja seit Jahren schon so beim Unteren Grindelwaldgletscher).
Es liegt mehrere hundert Meter weiter zurück in der wieder zum Vorschein gekommenen engen Schlucht hinter dem markanten «Schopf», auf dem die mittels Leiternweg über 890 Holzstufen erreichbare «Gletscher-Bar» lag. Während etlichen Jahren wurde ab diesem Punkt noch Zugang geboten in eine alljährlich neu ausgehobene Eisgrotte, doch muss bereits seit Jahren auf dieses Angebot verzichtet werden: Das Eis hatte sich soweit zurückgebildet, dass zuerst eine Hängebrücke gebaut wurde um den Gletscherzugang zu gewährleisten, welche anschliessen auch nicht mehr auf den Gletscher reichte. Die Gletscherzung und das Firnfeld des oberen Grindelwaldgletschers haben mittlerweise soger den Kontakt verloren, was bedeutet, dass der untere Teil des Gletschers abgestorben ist.

Der Gletscherschwund ist eine Feststellung, die ringsum an den Bergen von Grindelwald zu beobachten ist. So ist beispielsweise der Eiger in den vergangenen Sommern zu einer «Dolomitenwand» geworden – selbst die klassischen Wandstellen wie Erstes, Zweites und Drittes Eisfeld sowie die Spinne sind bis auf kümmerliche Reste zurückgeschmolzen oder gar gänzlich verschwunden. Gross an Masse verloren hat auch der Untere Grindelwaldgletscher, die imposante Fiescherwand, die Nordflanke von Fiescherhorn und Ochs, ist fast vollständig ausgeapert und aus der «Heissen Platte» inmitten des Eises zu Füssen der Fiescherwand ist eine «heisse Wand» geworden. Die Gletscher befinden sich in der Tat in einer bedenklichen Schwundphase – und zurzeit besteht kein Grund zur Annahme, dass sich daran etwas ändern wird. Der Klimawandel ist politisch allgegenwärtig und in unserem Tal direkt ersichtlich.

Texte entnommen aus dem «Echo von Grindelwald» und aus dem Schweizerischen Alpinen Mueseum, Bern.